21. Februar 2023

How to Change

Ein Vorschlag für ERP-Implementierungsprojekte

Durch die Digitalisierung und der damit einhergehenden Einführung neuer IT-Systeme, wie bspw. ERP-Systeme, ändern sich Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten in Unternehmen. Mit der Einführung der Software werden weitere Ziele wie die Verschlankung, Optimierung oder Vereinfachung von Prozessen verfolgt. Diese teils großen Veränderungen rufen mitunter Ängste, Skepsis und Widerstand bei Mitarbeitenden hervor. Ziel des Change Managements ist es daher, frühzeitigen Widerstand zu erkennen und Hürden abzubauen. Denn jede Software ist nur so gut wie die Menschen, die sie nutzen. Dieser Beitrag gibt Aufschluss darüber, wie Change Management während einer ERP-Einführung gelingen kann.

Die Mitarbeitenden eines Unternehmens sind die Treiber für eine erfolgreiche Einführung neuer Technologien und wichtig für die nachhaltige Nutzung der Systeme im Alltagsgeschäft – damit wird Projekterfolg gesichert. Denn bei allen Projekten zur Einführung einer neuen Software dreht es sich darum, ob die Menschen den Wandel mitgehen. Sie entscheiden, ob sie die Systeme nutzen und sie müssen bereit sein, ihre Arbeitsprozesse und ihren Verantwortungsbereich ggf. abzugeben oder zu verändern. 

Werden diese Aspekte vernachlässigt, kann dies negative Auswirkungen auf das ERP-Einführungsprojekt haben. Es kommt zu Projektverzögerungen und im schlimmsten Fall wird das Projekt abgebrochen. Fehlende Akzeptanz kann ebenfalls dazu führen, dass sich der gewünschte bzw. erwartete Nutzen des neuen ERP-Systems nicht oder nur in geringerem Maße einstellt. 

Ziele und Organisation des Change Managements

Schon vor Beginn des ERP-Auswahlprojektes ist es wichtig, das Change Management für das anstehende Projekt zu konzipieren. Hierzu gehören neben der Zielvereinbarung auch die Klärung, wer zukünftig welche Rolle im Projekt einnehmen sollte. 

Mit dem Change Management während einer ERP-Implementierung werden die folgenden Ziele verfolgt:

  • den Wandel so gestalten, dass die Mitarbeitenden die Veränderungen mittragen und diesen Wandel im Unternehmen leben,
  • die Entwicklung aller Projektmitarbeitenden zu einem gut funktionierenden Team,
  • die Ängste der Mitarbeitenden abbauen und neue Denkweisen initiieren,
  • ein gemeinsames Verständnis des Projektes – Ziele und Erwartungen erarbeiten und kommunizieren,
  • Stakeholdern und Mitarbeitenden auf einer menschlichen Ebene begegnen,
  • den Weg zur nachhaltigen Nutzung von ERP-Systemen ebnen.

Auf den ersten Blick scheint es passend, den Key Usern die genannten Aufgaben aus dem Change Management zu übertragen. Key User bringen Fach- und Prozesswissen aus den einzelnen Bereichen mit und sollten auch eine positive Einstellung zum ERP-Implementierungsprojekt haben. Sie werden nicht umsonst oft auch als Bindeglied zwischen Fachabteilungen und Projektteam bezeichnet. Key User bewerten Anforderungen und sind direkt an der Definition der zukünftigen Prozesse im neuen ERP-System beteiligt. Sie wissen daher mit als erstes, wie sich die Abläufe innerhalb des Unternehmens zukünftig verändern werden. Dennoch sind sie nicht die geeigneten Personen um die Aufgaben des Change Managements zu erfüllen. Aufgrund der Vielzahl an Aufgaben im Projekt fehlt die Zeit, um Veränderungsprozesse zu begleiten. Daher ist es für ein ERP-Einführungsprojekt notwendig, weitere Akteure in Form von Change Agents am Projekt zu beteiligen. Change Agents sind Mitarbeitende, die ein Verständnis von Veränderungsprozessen haben und über kommunikative sowie moderierende Fähigkeiten verfügen. Es ist immer sinnvoll, sofern möglich, dass die Change Agents aus dem eigenen Unternehmen stammen, aber auch eine Mischung aus internen und externen Mitarbeitenden ist möglich. Da die meisten internen zukünftigen Change Agents wahrscheinlich bisher nicht in einer solchen Rolle in einer ERP-Einführung mitgewirkt haben, ist es hilfreich, dem Team eine kompetente Begleitung an die Seite zu stellen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Change Agents ihre Rolle effektiv und effizient ausführen und ggf. fehlende Kompetenzen erwerben können.

Bild 1: Gründe für das Change Management in ERP-Einführungsprojekten.

Die Einführung und Umsetzung des Change Managements dient der Begleitung während der Projektlaufzeit des gesamten Digitalisierungsvorhabens und orientiert sich an den Phasen der Softwareimplementierung. Dabei ist es unerheblich, ob das Projekt agil oder phasenweise durchgeführt wird. Demnach teilt sich das Vorgehen (wie in Bild 2 dargestellt) in die Phasen: Vorbereitung, Umsetzung und Abschluss. 

Vorbereitung auf die Veränderung

In der Vorbereitungsphase bildet sich das Team, welches sich um die Etablierung des Change Managements im Unternehmen kümmert. Idealerweise finden die nachfolgenden Aktivitäten bereits während des ERP-Auswahlprojektes, spätestens aber mit Beginn der Vorbereitungen auf die Einführung statt. 

Die zukünftigen Change Agents:

  • treffen gemeinsame Vereinbarungen, wie sie zusammenarbeiten wollen,
  • betrachten den Ist-Stand zur Zusammenarbeit und Kommunikation der Organisation,
  • definieren, welche Ziele und Erwartungen an das Projekt geknüpft sind und wie der Zielzustand aussieht,
  • prüfen, wer als Sponsor (Sprachrohr auf Mitarbeiter- und Führungsebene) unterstützen kann,
  • identifizieren die Zielgruppe und priorisieren die Umsetzung des Wandels für die Gruppen,
  • erheben die Zufriedenheit der Mitarbeiter als Ausgangspunkt für spätere Vergleichswerte und Messbarkeit des erfolgreichen Change Managements.

Zu Beginn des Prozesses wird im Team definiert, wie die Zusammenarbeit funktionieren soll und auf welche Regeln Wert gelegt wird. Dieser Schritt ist als gemeinsame Ausgangsbasis für eine wertschätzende Zusammenarbeit notwendig. Die Mitarbeitenden werden aufgefordert zu betrachten, wie ihre Zusammenarbeit und Kommunikation im Unternehmen aktuell funktioniert. Betrachtet werden sowohl bereits funktionierende Abläufe, die beibehalten werden sollen, als auch Verbesserungspotenziale.

Noch vor Beginn des ERP-Einführungsprojektes sollte erhoben werden, wie zufrieden die Mitarbeitenden in den einzelnen, vom Wandel betroffenen Fachabteilungen sind, wie aufgeschlossen die Organisation hinsichtlich der anstehenden Veränderung ist und welche Bereiche den größten Bedarf an Betreuung haben können. Basierend auf den Ergebnissen kann eine frühzeitige Priorisierung zum Einsatz und zur Durchführung der Begleitung erfolgen. Auch vor Beginn der Implementierung gilt es zu klären, wer die Stakeholder sind, die von den Maßnahmen des Wandels direkt oder indirekt betroffen sind und welche Auswirkungen die Maßnahmen auf die einzelnen Gruppen haben. Da jeder (kulturelle) Wandel die volle Unterstützung des Managements bedarf, haben die Change Agents die Aufgabe herauszufinden, wen sie aus der Führungsriege als Sponsor für Change Management gewinnen können. Dieser Sponsor ist auf der Führungsebene Sprachrohr für die Ideen der Change Agents. Mit diesen Vorbereitungen kann das Change Management-Team in das ERP-Einführungsprojekt starten.

Kontinuierliche Begleitung

Ziel der Umsetzungsphase ist es, die Veränderungen im Unternehmen zu kommunizieren, zu implementieren und je nach Notwendigkeit nachzujustieren, um im Zeitverlauf mehr Abteilungen und Mitarbeitende zum Zielbild abzuholen und den Wandel zu leben. Die wesentliche Aufgabe des Change Managements in dieser Phase ist die Begleitung der Veränderungen (siehe Bild 3).

Im ERP-Einführungsprojekt entsteht eine Veränderung, dies kann eine Änderung an bestehenden Prozessen oder auch eine Verlagerung von Verantwortlichkeiten sein. Beispielsweise wird mit der Einführung des neuen ERP-Systems die manuelle Erstellung der Lieferdokumente durch einen Beleg direkt aus dem System abgelöst. Diese anstehende Veränderung muss durch das Implementierungsteam (Key User, Projektleiter oder Product Owner) an das Change Management kommuniziert werden. Das Change Management hat nun die Aufgabe herauszufinden, wer von der Veränderung betroffen ist und welche Auswirkungen dies haben könnte. Im genannten Beispiel könnten es beispielsweise Mitarbeiter sein, die bisher für die Erstellung der Lieferscheine im Vertriebsinnendienst zuständig waren. Gemeinsam mit weiteren Parteien (bspw. Führungskräfte, internes Prozessmanagement, Betroffene, Key User) wird ein Umsetzungsfahrplan erarbeitet. Wichtig hierbei ist, dass das Change Management nicht verantwortlich für die tatsächliche inhaltliche Lösung ist, aber sicherstellen muss, dass an einer Lösung gearbeitet und der Prozess moderiert wird. Erfahrene Change Agents können wertvolle Impulse zur Lösungsfindung einbringen. Bei auftretenden Konflikten oder Problemen unterstützt das Change Management in der Auflösung dieser. 

Bild 2: Übersicht Konzept Change Management.

So begleitet das Change Management die Implementierung der Veränderung und prüft laufend die Umsetzung und Akzeptanz. Innerer Widerstand gegen Veränderungen hat vermehrt mit der Angst zu tun, einen gewissen Status oder bestimmte Bedürfnisse nicht mehr erfüllt zu wissen. Wenn Menschen Widerstand gegen z. B. die Einführung einer neuen Technologie leisten, stecken zumeist persönliche Gründe dahinter.

Im genannten Beispiel könnte dies sein, dass die betroffenen Mitarbeiter Angst vor dem Arbeitsplatzverlust haben oder die Führungskraft einen Einflussverlust fürchtet. Für die Akzeptanz von Änderungen ist es notwendig, diese frühzeitig anzustoßen. Je nach Unternehmen müssen gerade bei prozessualen Änderungen eine Vielzahl von Punkten gelöst werden. Hierzu gehören beispielweise die Änderung von Arbeitsverträgen, die Ausstattung von Arbeitsplätzen, Einbinden von Gremien bis hin zur Einbindung in die neue Abteilung. Im genannten Beispiel könnte die Lösung sein, dass ein Teil der betroffenen Mitarbeiter zukünftig im Vertrieb für die Pflege der Stammdaten zuständig ist und andere in den Einkauf zum Lieferantenmanagement wechseln. Auch hier ist es wichtig zu betonen, dass nicht das Change Management für alle diese Aufgaben zuständig ist. Es muss dennoch durch geeignete Instrumentarien sicherstellen, dass die notwendigen Schritte bis zur Umsetzung der Veränderung durchgeführt werden.

Neben der Begleitung von Veränderungen ist die zweite wichtige Aufgabe für das Change Management in der Durchführungsphase der ERP-Implementierung die Kommunikation. Basierend auf den Ergebnissen der Stakeholder-Analyse kann ein Kommunikationskonzept erarbeitet werden, welches aufzeigt, wie die unterschiedlichen Gruppen gezielt angesprochen werden, wann der beste Zeitpunkt für eine Kommunikation ist und über welchen Kanal diese stattfinden sollte, um wirkungsvolle und positive Eindrücke zu vermitteln. Hierbei steht im Fokus, Ängste vor Veränderung durch klare, präzise Informationsweitergabe zu reduzieren und Interesse am Projekt zu wecken. Die Ergebnisse des Projektes sollen an die Nutzer und Anspruchsgruppen herangetragen werden, um frühzeitig Validierungen und Verbesserungen aufnehmen zu können. Zudem werden mit geeigneten Maßnahmen interne Sponsoren gefunden, die auf Projektfortschritte auf allen Ebenen aufmerksam machen.

Change Agents arbeiten nicht nur in die Organisation hinein, sondern sollten sich auch während des Projektes innerhalb des eigenen Teams kontinuierlich mit Aspekten der Veränderung beschäftigen und die daraus gewonnen Impulse in das Projektteam oder auch die Organisation zurückspielen. Die Möglichkeiten hierzu sind vielfältig und hier nicht vollständig dargestellt:

Bild 3: Prozess der Begleitung.

Die Change Agents:

  • definieren welche Werte das Team ausmacht und welche Unternehmenswerte zum Leben erweckt werden sollen,
  • erfahren, welche Persönlichkeitstypen im Team der Change Agents vorhanden sind und wie sie dieses Wissen nutzen können für die Kommunikation und Interaktion mit anderen Mitarbeitenden im Unternehmen,
  • führen regelmäßige Retrospektiven zur Verbesserung der Zusammenarbeit durch.

Abschluss der Begleitung

Die Begleitung durch das Change Management im ERP-Implementierungsprojekt endet, wenn alle Änderungen in der Organisation implementiert und akzeptiert sind. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass die Begleitung nicht automatisch mit der Inbetriebnahme des neuen ERP-Systems endet, sondern sich noch einen längeren Zeitraum darüber hinausziehen kann. Nach Ablauf eines festgelegten Zeitrahmens wird eine Messung durchgeführt, wie erfolgreich der Wandel für die Mitarbeiter und Organisation war und wie sich das auf die Zufriedenheit ausgewirkt hat. Die Ergebnisse aus der ersten Erhebung zu Beginn des Projektes dienen hierbei als Vergleichsparameter.

Dipl.-Kffr. Corinna Fohrholz ist Inhaberin und Geschäftsführerin der Glasholz GmbH. Sie hilft mittelständischen Unternehmen bei der Softwareauswahl und -einführung sowie bei der Erstellung einer passenden IT-Strategie. Dabei bring sie umfassende Kenntnisse über den Softwaremarkt (insb. ERP, CRM, DMS, MES) für diverse Branchen mit.

Anne-Kathrin Fiala, M. Sc. ist Change Managerin sowie Business & Team Coach bei der Glasholz GmbH. Sie begleitet internationale Unternehmen auf ihrem Weg der Digitalen Transformation. Unabhängig davon, welche neue Technologie (z. B. CRM- oder ERP-System) eingeführt werden soll, legt sie ihren Fokus auf die Menschen, die diese Technologie später in ihrem Arbeitsalltag nutzen.

Corinna Fohrholz
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