2. April 2023

Erfolgsfaktoren in ERP-Projekten

ERP-Einführungen sind in der Regel zeitintensive, aufwändige und kostenintensive Projektvorhaben. Trotz hoher Investitionskosten werden im Nachhinein mehr als 50 % der Projekte als wenig erfolgreich oder gar gescheitert beurteilt [1], [2]. Dieser Beitrag zeigt aktuelle Erfolgsfaktoren in ERP-Projekten, die anhand einer im Frühjahr durchgeführten Umfrage ermittelt wurden. Anschließend werden die erhobenen Erfolgsfaktoren einzelnen Projektphasen zugeordnet und vorgestellt.

IT-Projekte sind grundsätzlich von besonderen Herausforderungen geprägt. Entlang Feldmüller [3] sind dies vor allem die Unklarheit seitens der Nutzerinnen und Nutzer hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse, die hohen Ansprüche an das Change Management zur Bewältigung der organisatorischen Änderungen und die Unsicherheit über die Gültigkeit der Anforderungen aufgrund der neuer IT-Technologien und zunehmenden Dynamik globaler Märkte. Weiterhin findet sich die klassische Unterscheidung im Projektmanagement nach Inhalten Investitions-, Entwicklungs-und Organisationsprojekte in IT-Projekten als komplexe Mischung wieder. Zudem wird in der heutigen Zeit das Personal mit IT-Know-how und damit das vorhandene Personal in IT-Projekten oft stärker belastet bzw. überlastet. Maßnahmen, die zu operativen Verbesserungen führen, müssen zur IT-Strategie und zur IT-Architektur des Unternehmens passen, was zuvor geprüft werden muss. Oft ist die Nutzung agiler Ansätze in IT-Projekten hilfreich. Dies kann aber wiederum zu falschen Erwartungen innerhalb des Unternehmens führen. [3] Ferner haben IT-Projekte oft Auswirkungen auf mehrere Abteilungen bis hin zum gesamten Unternehmen.

Besonderheiten in ERP-Projekten

ERP-Projekte zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus. In der Regel sind nahezu alle Bereiche eines Unternehmens von einem ERP-Projekt betroffen. Dies erfordert eine komplexe Planung und Einbindung von Mitarbeitenden unterschiedlicher Bereiche mit unterschiedlichen Anforderungen. Daher gelten ERP-Projekte als hochrisikoreich und sehr kostenintensives Investment [4] sowie zeitintensiv [5]. Bei einer hohen Projektkomplexität sind Fehler und Änderungen in der Projektplanung oft unvermeidbar, was dann zur Überschreitung des Budget- und Zeitplans führen kann.

Erfolgsfaktoren

Entlang einer umfangreichen Literaturstudie von Ley [5] aus den Jahren 2011 bis 2014 mit einer Betrachtung von insgesamt 320 Artikeln geht hervor, dass die Faktoren: Unterstützung durch die Geschäftsführung, Projektmanagement und Anwenderschulungen die drei meistgenannten Erfolgsfaktoren darstellen. Basierend auf einer Interviewstudie wurden jedoch Systemtests und Testverfahren, Passfähigkeit des ERP-Systems und Anwenderschulungen am häufigsten genannt. [5] Auch nach Becker et al. birgt die Auswahl einer nicht-passfähigen Software ein hohes Risiko des Projektscheiterns [6].

Da sich das Wettbewerbsumfeld im steten Wandel befindet und sich auch mit fortschreitender Digitalisierung viele Rahmenbedingungen ändern, ändern sich u.U. auch die Erfolgsfaktoren für ERP-Projekte. Daher wurden sie im Rahmen dieser Untersuchung überprüft. 

Vorgehen der Untersuchung

Im Frühjahr 2023 wurde eine Marktuntersuchung durchgeführt, in welcher vorrangig die Funktionen einzelner ERP-Systeme erhoben wurden. Insgesamt nahmen 85 Systemhäuser und Hersteller von ERP-Systemen an der Befragung teil. Innerhalb der Untersuchung wurde zudem nach den kritischen Erfolgsfaktoren bei ERP-Projekten gefragt. Die Antwortmöglichkeiten waren nicht vorgegeben, von daher konnten die Teilnehmenden ihre Angaben in einem freien Textfeld tätigen. Um eine Auswertung zu ermöglichen, wurden die Antworten zunächst entlang der Inhalte in Cluster gegliedert. Da die Antworten oft aus mehreren Aspekten bestanden, wurden die Antworten zudem aufgespalten, um die Clusterzuordnung abschließend durchführen zu können.

Folgende Cluster wurden im ersten Schritt identifiziert:

Nach der Clusterzuordnung in 18 Cluster wurden die genannten Erfolgsfaktoren in Projektphasen überführt. Dafür wurden folgende Projektphasen gewählt: Vorbereitungsphase, Auswahlphase, Vorbereitung der Einführung, Einführung sowie Rahmenbedingungen. 

Vorbereitungsphase

klare Zieldefinition

Die Beteiligten eines ERP-Projektes müssen ein gemeinsames Verständnis darüber haben, was mit der ERP-Einführung erreicht werden soll. Daher ist vor dem Start des Projektes eine eindeutige Zieldefinition zu formulieren, welche die exakte Problemstellung beinhaltet sowie die Ziele, die mit dem ERP-Projekt erreicht werden sollen. So lässt sich auch nach dem Projekt prüfen, ob diese erfüllt wurden.

Anforderungsmanagement

Oft werden zur Vorbereitung der Anbieter-/Systemauswahl die Anforderungen nur grob erhoben und auf wesentliche Anforderungen geachtet. Ist das System ausgewählt, müssen die Anforderungen möglichst klar und eindeutig formuliert werden. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit des Projektteams mit den Mitarbeitenden. Zudem sollte eine Priorisierung der Anforderungen erfolgen. 

Auswahlphase

Implementierungspartner

Die Erfahrung und das Engagement des Implementierungspartners bilden die Basis für eine gute Zusammenarbeit, die in der Regel weit über die Einführung der Software hinaus gehen wird. Oft dauert diese Zusammenarbeit sogar 10 bis 20 Jahre an. Daher ist es wichtig eine vertrauensvolle Basis zu schaffen. Zudem sollte der Implementierungspartner die Anforderungen des Unternehmens im Detail verstehen, was eine gute Branchenkenntnis erfordert. 

Branchenerfahrung

Jede Branche verlangt spezifische Anforderungen, die ERP-Systeme abbilden müssen. Dies erfordert spezifisches Branchenwissen, welches der Anbieter mitbringen muss, um die Prozesse und Anforderungen des Unternehmens zu verstehen und umsetzen zu können.

passende Software/ Softwarekonfiguration

Das Ziel der Auswahlphase ist es, ein ERP-System auszuwählen, welches den Anforderungen des Unternehmens entspricht. Neben der Passgenauigkeit der Softwarelösung werden auch vermehrt eine gute Skalierbarkeit und Flexibilität der Software im Hinblick auf individuelle Prozesse als wichtiger Erfolgsfaktor angesehen. Weiterhin wurden einfache Bedienung und hohe Standardisierung genannt.

Vorbereitung der Einführung

Projektplanung

Zur Projektplanung gehören neben der Definition von Aufgaben, Meilenstein-, Zeit- und Ressourcenplanung vor allem eine offene Kommunikation im Team sowie eine klare Verteilung der Verantwortlichkeiten. Besonders häufig wurde im Rahmen der Projektplanung auch das Thema Datenmanagement und -übernahme angesprochen. 

Prozessaufnahme

Nach Ansicht der an der Umfrage beteiligten Unternehmen sind eine detaillierte Prozessanalyse und -bewertung gemeinsam mit dem Kunden/Anwenderunternehmen erfolgskritisch. Hierbei sollte eine klare Trennung von Realisierungs- und Optimierungsphase erfolgen. Unternehmenskritische Prozesse erfordern häufig eine gute Anpassbarkeit des ERP-Systems.

Datenmanagement

Oft werden mit einer ERP-Einführung die Stammdaten neu strukturiert und festgelegt. Demzufolge müssen vorhandene Stammdaten überprüft, überarbeitet, umstrukturiert und neu aufbereitet werden. Erfolgt dies nicht korrekt und sorgfältig, wird die Nutzung des neuen ERP-Systems damit eingeschränkt. Eine gute Stammdatenqualität in dem neu eingeführten System ist eine essentielle Basis für die ERP-Nutzung in den Geschäftsprozessen.

Einführung

Projektleitung

Dieses Cluster fokussiert die Fähigkeiten und Erfahrung der Projektleiter auf Seiten von Softwareanbieter und Unternehmen, die das ERP-System einführen. Projektleiter sollten neben IT-Erfahrung und Prozessverständnis, auch folgende Eigenschaften mitbringen: engagiert, durchsetzungsfähig, kommunikativ, entscheidungsfreudig und auch Spaß am Projekt haben. 

Projektmanagement

Das Projektmanagement gilt als „Schlüssel“ zum Erfolg eines ERP-Projekts. Wichtig ist dabei vor allem, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis zu den Projektzielen haben und wie diese erreicht werden sollen. 

Agiles Vorgehen

Das Thema Agilität wird im Einführungsprojekt immer relevanter. Dabei geht es nicht zwingend um eine vollständig agile Vorgehensweise, wie bspw. nach Scrum. Vielmehr enthalten immer mehr Vorgehensmodelle agile Elemente, um flexibler auf unvorhersehbare Situationen oder Anforderungen, die während der Einführung entstehen, reagieren zu können.

Rahmenbedingungen

Unterstützung durch das Management

Die Geschäftsführung muss die ERP-Einführung unterstützen und aktiv vorantreiben. Dieser Wille sollte den Mitarbeitenden wiederholt kommuniziert werden. Fehlt dieser Aspekt, wird es vor allem für die Projektleitung schwer, nötige Ressourcen (Ressourcenverfügbarkeit) zu erhalten, eine hohe Priorisierung durchzusetzen und Mitarbeiterakzeptanz zu gewinnen. 

Unterstützung durch Anwender und Einführungsteam

Für jedes ERP-Projekt sind vor allem die beteiligten Personen sowie die Unterstützung und der Rückhalt im Unternehmen entscheidend. Die Notwendigkeit der mit der ERP-Einführung verbundenen Veränderung muss erkannt und akzeptiert werden. Dafür sollten frühzeitig alle relevanten Personen informiert und weitestgehend mit eingebunden werden. Auch die Zuarbeiten durch Projektmitarbeitende sind kritische Erfolgsfaktoren. Daher sollten Mitarbeitende über eine aktive interne Kommunikation über Projektfortschritte informiert werden. Kurze und effiziente Kommunikations- und Entscheidungswege sind dabei hilfreich.

Von besonderer Bedeutung sind auch die Key-User. Diese sollten motiviert, kompetent und verfügbar sein. 

Kommunikation

Innerhalb des Projektmanagements spielt auch die Kommunikation eine wesentliche Rolle. Kurze und effiziente Kommunikations- und Entscheidungswege werden hierbei vor allem gesehen, wie auch eine klare Festlegung des Projektumfangs. Insgesamt sollte eine offene und vertrauensvolle Kommunikation im Projektteam angestrebt werden.

Change Management

Innerhalb der Befragung wurde häufig das Change Management genannt. Hierbei sollten entsprechende Maßnahmen je Projektphase geplant und durchgeführt werden. Ziel ist es, Akzeptanz für das Projekt und den damit verbunden Umstellungsprozess zu gewinnen sowie Widerstände frühzeitig abzubauen. Es ist ratsam, das Thema Change Management intensiv und sorgfältig zu betreiben. Daher wurde teilweise auch von einem wirkungsvollen Change Management gesprochen. 

Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunde

Grundvoraussetzung für funktionierende ERP-Projekte stellt die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Einführungspartner und Anwenderunternehmen dar. Dies sollte mit einer entsprechenden Expertise bei den Ansprechpartnern im Projekt und im nachgelagerten Support unterlegt sein. Eine verlässliche und regelmäßige Kommunikation ist dabei unerlässlich.

Fazit

Folgende Erfolgsfaktoren aus den Erhebungen von Ley wurden entlang dieser Befragung bestätigt: Unterstützung durch die Geschäftsführung, Projektmanagement und die Passfähigkeit des ERP-Systems. Um jedoch ein Gesamtbild zu erhalten, wäre auch die Sicht der Anwenderunternehmen, inkl. der späteren Nutzerinnen und Nutzer relevant. 

Literatur

[1] Barker, T.; Frolick M. N.: ERP Implementation Failure: A Case Study. Information Systems Fall, Sarasota 2003

[2] Grammer, P. A. (Hrsg.): Der ERP-Kompass -ERP-Projekte zum Erfolg führen. Mitp, Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg 2011

[3] Feldmüller, D.: IT-Projekte erfolgreich steuern, Verbesserungspotenziale in der Project Governance; In: ERP Information 1/2022, S. 30-34; DPI Verlag 2022

[4] Shibly, H. R., Abdullah, A.; Murad, M. W.: ERP Adoption in Organizations, The Factors in Technology Acceptance Among Employees; Palgrave Macmillan, 2022

[5] Ley, C.: Implementierung von ERP-Systemen in KMU – Ein Vorgehensmodell auf Basis von kritischen Erfolgsfaktoren. HMD 52, S. S. 418–432, Springer, Wiesbaden 2015 

[6] Becker J, Vering O, Winkelmann A.: Softwareauswahl und -einführung in Industrie und Handel, Vorgehen und Erfahrungen mit ERP- und Warenwirtschaftssystemen. Springer, Berlin, 2007.

Prof. Dr. Sandy Eggert ist Chefredakteurin der Zeitschrift und dem Informationsportal ERP Information und beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren mit dem ERP-Markt und der Auswahl passender Systeme für KMU. Seit 2013 lehrt sie als Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. 

Prof. Dr. Sandy Eggert
Chefredakteurin
Zeitschrift ERP Information
E-Mail: sandy.eggert@erp-information.de
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