Vision und Realität zusammenbringen
Bei den Technologietagen der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) vom 6. – 7. Februar 2024 wurden unter dem Motto „Black Box – From Vision to Reality“ drängende Fragen zu aktuellen technologischen Entwicklungen thematisiert und beantwortet. Der Hype um generative Künstliche Intelligenz (KI)-Systeme zieht derzeit die Aufmerksamkeit vieler Unternehmen auf sich, die vermehrt nach geeigneten Anwendungsgebieten suchen. KI in bestehende Produkte zur Verbesserung ihrer Funktionalität zu integrieren, ist aus DSAG-Sicht sinnvoll und kann hilfreich sein. Zwischen Vision und Realität bzw. zwischen Sales und nutzbarer Software liegen jedoch teilweise noch Welten.
Durch die schnelle und einfache Verfügbarkeit von ChatGPT nahm das Thema Künstliche Intelligenz (KI) sehr viel Fahrt auf. Offen bleibt aber vielfach aus DSAG-Sicht, was KI in Form von konkreten Anwendungen bedeutet. Die Ankündigung von SAP im Sommer 2023, künftige Innovationen wie KI nur noch via RISE-with-SAP-Premium-Angebot zur Verfügung zu stellen, hat viele Kunden verunsichert, die auf S/4HANA Private Cloud oder On-Premises gesetzt haben. Die technische Integration von KI-Modellen von einem Vertragskonstrukt eines Anbieters abhängig zu machen, lässt sich im Kontext einer gesamthaften IT-Architektur jedoch kaum abbilden. „KI nur noch in einem singulären Cloud-Vertrags- und -Betriebsmodell anzubieten, ist zudem technisch nicht haltbar, können doch Large-Language-Modelle jederzeit unabhängig hiervon realisiert werden“, kritisiert Sebastian Westphal, DSAG-Fachvorstand Technologie.
Fokus auf „Business AI“
Positiv in diesem Zusammenhang ist die Bekanntgabe des Generative AI-Hubs bei der letzten SAP TechEd zu bewerten, der diese Öffnung technologisch aufgreift. Die auf der SAP Business Technology Platform (BTP) existierenden SAP AI Core und SAP AI Launchpad werden um diesen Generative AI-Hub erweitert, um die Anbindung an externe LLM-Modelle, genau genommen zunächst Open AI, anzusteuern. Zudem ist die Abrechnung über ein eigenes Preismodell (AI Units) geplant.
„Grundsätzlich begrüßen wir diese strategische Ausrichtung von SAP – gerade vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklungen rund um die großen Modelle wie OpenAI, Bard etc. Allerdings sind für uns aus kommerzieller, fachlicher und technologischer Sicht noch einige Fragen offen“, so Sebastian Westphal. Es braucht z. B. transparente und erprobte Abrechnungsmodelle und -metriken. Zudem muss nachweisbar sein, dass bei Prozessentscheidungen durch eine KI geltende Richtlinien ausgeführt und dokumentiert wurden. Und aus technologischer Warte wäre u. a. wichtig, wie mit den sensiblen Unternehmensinformationen umgegangen wird, die bei der Nutzung herangezogen werden.
Eine Frage der Strategie
Das Wartungsende für einige zentrale SAP-Lösungen ist mit 2027 klar definiert und damit absehbar. Unverändert sind viele Fragen offen, wie die zukünftigen Services und Lösungen tatsächlich realisiert werden – und Unternehmen benötigen funktionierende Lösungen, bevor sie migrieren können. Auch heute sind viele Produkte noch nicht fertig entwickelt und die Roadmaps prall gefüllt. Für das Identity-Management für die zentrale Verwaltung von Benutzenden und Berechtigungen heißt das z. B., dass Anwenderunternehmen, die IDM bisher als zentrales, architekturübergreifendes Tool nutzen, sich nach einer neuen Lösung umsehen müssen. Denn das SAP Cloud Identity Management bietet keinen identischen Leistungsumfang und adressiert perspektivisch ausschließlich SAP-Landschaften. Folglich braucht es eine klare Aussage, welche Ziellösung SAP mit entsprechenden Migrationsszenarien und -services unterstützt, bzw. ob es präferierte Partner geben wird, für die entsprechende Migrationsszenarien angeboten werden.
Zügige Fortschritte bei Data-Lakehouse-Architekturen benötigt
Für SAP Datasphere und die SAP Analytics Cloud (SAC) ist das Bild der Black-Box besonders anschaulich. Die Produktvisionen passen. Aber in der Praxis lassen sich noch keine komplexen, übergreifenden End-to-End-Geschäftsanwendungen abbilden, die Unternehmen dringend benötigen. „Neben der Live-Connection der SAP Analytics Cloud zu allen SAP-Produkten braucht es diese auch zu Non-SAP-Quellen. Auch sind entsprechende Migrationsszenarien unter Anrechnung von Bestandslösungen sowie seit Jahren ein Lizenzmodell für Gelegenheitsnutzende vonnöten“, so Sebastian Westphal.
Konsistenz über alle BTP-Services hinweg
Bei der BTP vermissen die Anwenderunternehmen eine serviceübergreifende Strategie sowie die Konsistenz über alle BTP-Services und deren Zusammenspiel hinweg – um die BTP sowohl in unternehmensweiten, mehrstufigen Architekturen noch eindeutiger als Plattform, als auch mit den zugehörigen Business-Services integrieren zu können. So ist z. B. das Monitoring und Logging der einzelnen Services noch nicht einheitlich ausgeprägt, und auch eine durchgängige Cloud-Identity-Management-Strategie ist noch nicht Realität. Zudem würde eine einheitliche Zugriffsstrategie vom SAP-Support auf die LoB-Services, eine einheitliche Übersicht der BTP-Services inklusive deren Verfügbarkeit in den Preislisten sowie eine zügige Integration von Lösungen wie beispielsweise Signavio als echter, vollintegrierter BTP-Service die operative Nutzung der BTP erleichtern.
Security-Dashboard nimmt Form an
Das Thema Security spielt auch im Zusammenhang mit KI eine wichtige Rolle. KI unterstützt nicht nur beim Einsatz diverser Funktionalitäten. Sie hilft auch Angreifenden schneller, effizienter und automatisierter zu agieren. Dass SAP nun für die SAP Analytics Cloud plant, ein Security-Dashboard für mittelständische Kunden parallel zu den Schnittstellen (API) und entsprechenden Partnerlösungen bereitzustellen, ist sehr zu begrüßen. „Damit erfüllt SAP eine langjährige DSAG-Forderung und unterstützt Kunden, die nicht über eine bereits implementierte, übergreifende Monitoring-Infrastruktur verfügen“, ist Sebastian Westphal zufrieden. Was allerdings noch fehlt, ist eine klare Antwort von SAP zur Bereitstellung von Security-Tools des Solution Managers über das Jahr 2027 hinaus.
Green IT: Quo vadis?
Beim Einsatz von Cloud-Services und dem Aufbau cloudbasierter Infrastrukturen wird es wichtiger, den damit verbundenen Energieverbrauch zu berücksichtigen. Schon heute sollten Unternehmen, die Rechenzentrumsleistungen beziehen, den Verbrauch zum obligatorischen Teil der Ausschreibung werden lassen, damit „Always-on-Szenarien“ und „Reserved Instances“ bald Geschichte sind. Dementsprechend müssen die Cloud-Services von SAP viel flexibler steuerbar gestaltet werden. Das gilt z. B. sowohl für den Always-on-Modus der Services der Hyperscaler-basierten Business Technology Platform als auch für die effiziente Datenverwaltung zwischen den SAP-Cloud-Services. Natürlich braucht es dafür entsprechende SAP-Lösungen. Dass jedoch das Green Ledger nur gegen Aufpreis und ausschließlich für RISE-with-SAP-Premium-Kunden bereitgestellt wird, ist kritisch zu sehen.