25. Oktober 2024

ERP-Projekte: Dies ist (k)ein Projektmanagement-Guide!

Lesen Sie

  • wie ein Projektteam aufzustellen ist
  • welche Anforderungen an die Projektleitung gestellt werden
ERP Information 4/2024, Bernhard, ERP-Projekte, Titelbild

Der Begriff Management ist heutzutage in aller Munde. Verschiedenste Themen wollen oder sollen „gemanagt“ werden und nicht selten, insbesondere wenn die Beschwerde geführt wird, sind die Manager schuld. Der kanadische Professor Henry Mintzberg definiert Management als „eine Praxis, bei der Kunst, Wissenschaft und Handwerk aufeinandertreffen [1].“ Dies bedeutet, es geht um mehr als nur theoretische Aspekte. Auch Persönlichkeit und Fähigkeiten spielen eine zentrale Rolle. Im Rahmen dieses Beitrages wird die Leitungserfahrung von SAP-Einführungs- und Transformationsprojekten als Referenz genutzt.

Projektmanagement ist weitaus mehr als eine rein wissenschaftliche Thematik. Kreativität, logisches Denken und die Fähigkeit, Menschen für ein Thema zu begeistern, sind mindestens genauso wichtig wie die Kompetenzen, die im Rahmen eines Management-Studiums oder in Fortbildungen erworben werden können. Die Anwendung von Managementmethoden und -techniken hilft nur begrenzt, da es in erster Linie um die Menschen und die Zusammenarbeit mit ihnen geht. Die Aufgabe der Projektarbeit ist es, Menschen bei all den fachlichen Herausforderungen in die Lage zu versetzen, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Kann ein Projektteam für eine Aufgabe begeistert werden, wird die Lösung am Ende bei größtmöglicher Qualität höchste Akzeptanz erhalten. Im Rahmen dieses Aufsatzes soll mehr geliefert werden als eine Sammlung an Methoden und Techniken (Tools). Daher wird – wenngleich nicht völlig toolfrei – auf die Soft Skills und abstrakten Inhalte eingegangen.

Die Aufgabe/das Projekt

Zur Definition eines Projektes beschreibt das Project-Management Institute (PMI) ein Projekt als „ein zeitlich definiertes und begrenztes Vorhaben mit dem Ziel, ein einmaliges Produkt, eine Dienstleistung oder ein Ergebnis zu schaffen [2].“ Es ergeben sich für die Betrachtung eines Projektes verschiedene Parameter, die je nach Projektauftrag und Organisation zwar unterschiedlich wichtig ausfallen können, folgende Parameter lassen sich jedoch stets vorfinden:

Zeit: Gliederung des Projektes in die drei Phasen Entstehung, Durchführung und Projektabschluss bzw. Betrieb

  • Die Ursachen eines Projektes entstehen durch die Betrachtung einer Organisation, beispielsweise unter Zuhilfenahme der PESTEL-Analyse. PESTEL als Akronym steht für Political, Ecolo-Liz, Social, Technological, Ecological und Legal. Dabei ergibt sich häufig die Ursache des technischen Fortschrittes. Wenn Softwarelösungen eingesetzt werden, existieren immer verschiedene Releases. Hersteller müssen hierfür Wartungszeiträume anbieten. Wenn das jeweilige Wartungsende erreicht wird, ergeben sich automatisch verschiedene IT-Projekte. Dabei muss eine komplexe ERP-Systemlandschaft genauso im Rahmen eines Projektes gewechselt werden wie beispielsweise das Betriebssystem des Firmenrechners.
  • Projekte verfügen über einen Startzeitpunkt. Dieser wird im Normalfall durch den sogenannten Kick-off zeitlich fixiert, der dazu dient, den Projektbeteiligten Inhalte und Strukturen vorzustellen. Dem Projekt geht hierfür eine konstituierende Phase voraus, in der der Projektauftrag und die Projektstrukturen geklärt werden.
  • Das Ende eines Projektes wird gekennzeichnet durch die Übergabe des Projektergebnisses an eine Betriebsorganisation oder den Endkunden. Nach dieser Übergabe werden Projektdokumentationen geschlossen und Projektstrukturen aufgelöst, sofern diese nicht wieder für vergleichbare Folgeprojekte benötigt werden.

Begrenztes Vorhaben

  • Ein gut geführtes Projekt zeichnet sich dadurch aus, dass direkt zu Beginn der Inhalt basierend auf dem Auftrag erarbeitet und schriftlich fixiert wird. Dies bedeutet nicht, dass es später zu keinen Ergänzungen kommen darf, doch ist ein vage gehaltener Projektauftrag nicht selten die Ursache für spätere Änderungsbedarfe, die sowohl die Begrenzung des Projektes als auch dessen zeitliche Planung schnell überholen und zu Mehraufwand führen. Dem Projektmanagement wird an dieser Stelle die Aufgabe zuteil, die Projektinhalte vollständig und so konkret wie möglich zu definieren. Diese Definitionen basieren auf dem Kenntnisstand der Projektbeteiligten zu Beginn des Projektes. Insbesondere bei integrativen Themen innerhalb der Projektorganisation ist es wichtig, für Kommunikation Sorge zu tragen, damit ein Wissensaustausch zwischen fachlich verknüpften Teams entsteht und Abhängigkeiten möglichst frühzeitig identifiziert werden können.

Produkt, Dienstleistung oder Ergebnis

  • Im Ergebnis kann die Erstellung eines neuen ERP-Systems liegen. Eine Anwendung wie beispielsweise ein Versandservice, aber auch Produkte von komplexen Einzelanfertigungen bis zu Kreuzfahrtschiffen sind denkbar.

Das Team

Teamstrukturen

Teams müssen aufgestellt und für die jeweiligen Aufgaben ertüchtigt werden. Ein sinnvolles Vorgehen wäre die Einteilung in Fachgebiete (Streams) wie Order to Cash, Lead 2 Cash, Production and Planning. Dies eröffnet direkt die Bedarfe nach guter Kommunikation innerhalb des Projektes. Spezialthemen wie Cutover, Entwicklung, Migration, Change Management u. ä. können entlang der Streamleads innerhalb eines Projektbüros organisiert werden. Dies ermöglicht der Projektbüroleitung, diese hochintegrativen Streams direkt in die Kommunikation zu bringen und bestmögliche Transparenz zu erhalten, was wiederum eine zielgerichtete Steuerung begünstigt.

Streamgröße

Je nach Aufgabenumfang (abhängig von Unternehmensgröße, Anzahl von Prozessen, Komplexität der Systemlandschaft etc.) sind innerhalb der Streams weitere Strukturen notwendig. Diese Organisation kann im Regelfall den jeweiligen Streamleads überlassen werden. Wichtig ist, die Mitarbeitenden in den Streams nicht zu überlasten. Dies führt erstens zu einer Ablehnung der Projektarbeit und zweitens zur Ablehnung oder zumindest zur überkritischen Betrachtung der Projektlösung und somit zu geringer Akzeptanz.

Externe Kräfte

Firmen mit einer ERP-Software im Einsatz haben in erster Linie ihr fachliches Thema im Blick. Dies bedeutet, ihre Expertise liegt im wirtschaftlichen Handeln, in der Produktion ihrer Produkte oder der Forschung. Die Komplexität einer ERP-Einführung stellt sich diesen Kollegen aus dem Business nicht. Somit wird Beratung benötigt, um die Bedürfnisse dieser Experten herauszuarbeiten und in einer neuen ERP-Lösung umzusetzen.

Die Führungskraft/der Manager

Jedes Projekt bedarf einer kompetenten Führungskraft. Dabei ist bereits das Thema der Forderung nach Kompetenzen von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Die gesuchten Kernkompetenzen können sein:

  • Erfahrung in gleichartigen Projekten vorab
  • Nachweis von Studiengängen und/oder Zertifizierungen wie PMP/Scrum Master und Vergleichbares
  • fundiertes fachliches Verständnis der behandelten Fachthemen
  • mindestens x Jahre Erfahrung in y Anzahl Projekten

All diese Anforderungen haben ihre Daseinsberechtigung, da insbesondere bei der Beauftragung von externen Kräften oft hohe Budgets ins Spiel kommen. Dieses Investment soll selbstverständlich optimal angelegt werden, schließlich möchte der Sponsor eines Projektes die Aufgabe in guten Händen wissen.

Daher ist es unerlässlich, noch vor Beginn eines Projektes die Aufgabe klar zu beschreiben. Ein gemeinsames Verständnis ist notwendig, d. h. Projektkunde sowie Projektleitender müssen ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten klar benennen können. Ein Kundenauftrag mit der Devise: „Hauptsache ein Name dran und das Thema ist abgegeben“ ist zum Scheitern verurteilt. Seriöse Unternehmende lehnen solche Aufträge schlichtweg ab, mit exakt dieser Begründung.

Es ergibt sich also als Erstes die Aufgabe der konkreten Auftragsklärung. Es ist abzustimmen, was durch das Projekt konkret erreicht werden soll. Nicht selten sind diese Klärungen in Vorstudien, Projektvorbereitung oder ähnliche separat verkaufte Aufgaben und die eigentliche Projektarbeit hiervon entkoppelt. Auch muss mit dem Business, also den Personen, die mit dem Endprodukt arbeiten, gesprochen werden. Angesichts der Tatsache, dass sich für gewöhnlich das meiste Wissen über bestehende Prozesse in den Köpfen der Mitarbeitenden befindet, ist ein Dialog mit dem Business alternativlos.
Welche einzelnen Anforderungen kommen nun auf den Projektleitenden im Laufe des Projektes zu:

Aufgabenklarheit

Im Zuge der Auftragsklärung ist die Marschrichtung eines Projektes festzulegen. Dies definiert auch den Wirkungsbereich des Projektleitenden. Aufgaben darüber hinaus sind kein Projektbestandteil und sollten unterlassen werden. Welche der Aufgaben müssen in welcher Reihenfolge bearbeitet werden?

Kompetenzen des Projektleitenden

Organisationstalent, Ruhe in kritischen Situationen, Coaching der Projektteilnehmenden, Sorge tragen für eine gute Arbeitsatmosphäre, den Kunden an die Hand nehmen, ein Zielbild zeichnen, für flüssige Kommunikation sorgen, Deeskalation betreiben etc.

Fertigstellung diverser Pläne

  • Kommunikationsplan: Der Kommunikationsplan definiert, wer mit wem spricht und sichert Klarheit und Konsistenz. Dies muss der Projektleitende vorgeben.
  • Berichte an den Sponsor resp. den Lenkungskreis: Dies ermöglicht es dem Projektleitenden, relevante Themen weiterzugeben, womit er sich auch entlasten kann. Ein solides Statusreporting legt den Grundstein dafür, dass kritische Situationen professionell abgehandelt werden können.
  • Die Aufgabennachverfolgung: Der Projektleitende gibt Arbeitsanweisungen und Vorgaben für entsprechende Aufgaben. Die Frage danach, was der Projektleitende nun überwachen muss, ist einfach beantwortet. Alles! Denn er ist verantwortlich dafür, was im Projekt passiert. Daher sind übertragene Aufgaben zu überwachen und dafür Sorge zu tragen, dass die Aufgaben zielführend erledigt werden. Die Gefahr hierbei ist, dass der Projektleitende ins Micromanagement verfällt. Dies ist zu vermeiden; er muss ein angemessenes Maß an Kontrolle und Steuerung finden.

Projektinitiierung

Wenn ein Projektauftrag geklärt ist, ist es die Aufgabe des Projektleitenden und ggf. weiteren Führungskräften, dem Projektteam einen gemeinsamen Start zu geben (Kick-off). Zu diesem Zeitpunkt sind einige Projektbeteiligte schon klar in ihren Rollen, andere aber nicht. Im Kick-off muss klar werden, wer für was zuständig ist, wer in welchem Stream ist und wie die Kommunikationswege sind. Sehr wichtig ist hierbei, dass das Zielbild gezeichnet wird, damit die Teammitglieder eine Vorstellung von dem Endergebnis erhalten.

Sonstige Aufgaben (Soft Skills)

Soft Skills sind für einen Projektleitenden von entscheidender Bedeutung. Er muss für das Team sichtbar sowie ein verlässlicher und vertrauensvoller Ansprechpartner sein. Dieses Thema wird in Projektausschreibungen leider vernachlässigt. Es ist essenziell, dass der Projektleitende ein Team formen und auch führen kann.

Projektabschluss

Am Ende eines Projektes hat das Management die Möglichkeit, Themen, die während des Projektes „zu kontroversen Diskussionen“ geführt haben, aufzuräumen. Dies ist wichtig, damit Probleme aus dem Projekt nicht weitergetragen werden und das tägliche Geschäft beeinflussen. Auch hier kann bereits die Grundlage für zukünftige Projekte geschaffen werden.

Literatur

[1] Mintzberg, Henry: Managen, 1. Aufl., Offenbach, Deutschland: Gabal Verlag GmbH, 2010.
[2] Projects and the project lifecycle: in: Project Management Institute, Inc., o. D., [online] https://www.pmi.org/about/what-is-a-project (abgerufen am 01.10.2024).

ERP Information 4/2024, Autorenfoto Bernhard

Oliver Bernhard ist seit 1999 in der SAP-Beratung tätig und hat langjährige Erfahrung als Projektleiter für SAP-Einführungsprojekte. Im Februar 2022 gründete er die Project-Enabler GmbH mit der Zielsetzung, IT-Projekte für Mitarbeitende zu optimieren: „Managementansätze sind zu beherrschen und Menschen sind zu befähigen (enable).“

Oliver Bernhard
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