Anwendungsbeispiele von Künstlicher Intelligenz in ERP-Systemen
Die ERP-Softwarebranche erfährt aufgrund des Einflusses der technologischen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) bereits seit einigen Jahren einen sichtbaren Wandel. In diesem Beitrag werden die konkreten Auswirkungen von KI-Anwendungen auf ERP-Lösungen thematisiert und anhand von konkreten Anwendungsbeispielen veranschaulicht.
Künstliche Intelligenz (KI) wird definiert als „ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Entwicklung von Computern oder Maschinen beschäftigt, die menschenähnliche Intelligenz aufweisen sollen. Das Hauptziel der KI besteht darin, Maschinen mit der Fähigkeit auszustatten, Aufgaben zu erledigen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern würden. [1]“ Diese qualitativ hochwertige Antwort wurde von der internen Fraunhofer GPT Anwendung auf die Frage „Was ist KI ?“ ausgegeben und zeigt, wie Wissen vorbereitet, generiert, gespeichert, von maschinellen Algorithmen weiterentwickelt wird und in den Arbeitsalltag einfließen kann. Dieser Beitrag soll verdeutlichen, inwieweit KI-Anwendungen auch Stück für Stück immer weiter in ERP-Systeme einfließen und was dies konkret bedeutet.
KI-Algorithmen und -Modelle verwenden Elemente aus dem Bereich des Maschinellen Lernens. Computer nutzen im Rahmen des maschinellen Lernens Daten, um Informationen zu extrahieren. Sie lernen und können Muster erkennen, ohne dass sie darauf explizit programmiert werden. Neuronale Netzwerke, wie sie in Deep Learning verwendet werden, sind ein wesentlicher Bestandteil vieler moderner KI-Anwendungen [2]. Experten sind sich einig: In der Technologieentwicklung wird KI als bedeutender Quantensprung angesehen [3].
Große Technologiekonzerne wie etwa Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia und Meta Platforms (vormals Facebook) tätigen seit einigen Jahrzehnten massive Investitionen in die KI-Forschung und -Entwicklung. Eine aktuelle Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom verdeutlicht, dass Unternehmen in Deutschland ein gesteigertes Interesse an KI haben. Nach wie vor sind es jedoch vor allem große Unternehmen, die KI-Applikationen nutzen [4].
Der ERP-Anbietermarkt hat auf den gestiegenen Bedarf reagiert. ERP-Anbieter integrieren KI-Anwendungen immer mehr in die Funktionen ihrer Systeme oder stellen sie als kompatible Module zur Verfügung. ERP-Softwarehersteller investieren in KI-Applikationen, sei es durch die Integration von bestehenden KI-Anwendungen oder durch die Weiterentwicklung von Kern-ERP-Funktionen. SAP, IFS und Microsoft haben in den letzten Jahren Milliardeninvestitionen in das Thema Künstliche Intelligenz getätigt. Die Anzahl jüngerer Beteiligungen an KI-Start-ups verdeutlicht das Engagement der ERP-Hersteller im Bereich KI [5]. Auch mittelstandsorientierte ERP-Anbieter wie Comarch, PSI, ProAlpha, Asseco und GUS Deutschland investieren in KI-Technologien.
In diesem Kontext muss jedoch hervorgehoben werden, dass es keine allwissende KI in der ERP-Welt gibt – zumindest noch nicht. KI-Lösungen setzen verschiedene Technologien mit unterschiedlichen Anwendungsszenarien und Komplexitätsgrad ein. Im Folgenden werden einige der vielen Anwendungsszenarien im Bereich ERP dargelegt, die Geschäftsprozesse nachhaltig transformieren. Die nachfolgende prozessorientierte Darstellung von Anwendungsfällen kann nur eine Momentaufnahme sein.
Marketing
Im Bereich des Marketings wird KI-Technologie eingesetzt, um Informationen in Kundenkontaktpunkten zu sammeln und zu analysieren um Rückschlüsse auf Kundenpräferenzen und Wünsche der Kunden zu ziehen. So können z. B. Hersteller Daten, die von einem webbasierten Produktkonfigurator gesammelt werden, in die Produktprogrammplanung einspielen. KI-Anwendungen werten die gesammelten Daten aus und speisen diese Informationen in Produktionssysteme ein. Tesla nutzt die KI-Technologie beispielsweise, um die Beliebtheit bestimmter Ausstattungskomponenten zu messen und die Daten automatisch in die Produktionsplanung von Fahrzeugen zu integrieren [6].
Vertrieb
Ein weiterer Anwendungsbereich für die Nutzung von KI ist der Vertrieb. KI-Technologien können kundenbasierte Analysen verbessern, indem öffentlich zugängliche Quellen z. B. aus Social-Media-Plattformen (Xing, Twitter, LinkedIn etc.) in die ERP-Daten integriert werden. Der produktionsorientierte Anbieter Asseco ermöglicht z. B. die automatisierte Integration, Zuordnung und Verwaltung von relevanten Informationen und Nachrichten aus Portalen mit dem Kundenstamm. Asseco bietet darüber hinaus KI-Lösungen wie etwa KI-Dashboards, Opportunity Management, Posteingangsüberwachung sowie KI-gestützte Absatzprognosen an [7].
Logistik
Der Anwendungsbereich von KI und Machine Learning (ML) in der Logistik ist sehr groß. Konkrete Beispiele für KI-Anwendungen in der Logistik sind KI-gestützte:
- Vorhersagen von Lieferverzügen für ausgehende Lieferungen,
- Optimierung von Lagerparametern,
- Vorhersagen der Ankunftszeit von Verkehrsmitteln (z. B. LKW).
Weitere Beispiele für den Einsatz von KI-Technologien in der Logistik sind die automatische Erkennung von Gefahrgutlabeln und Ladungsmitteln sowie der Einsatz von Weareables und Motion-Capture-Verfahren zur Bewegungsanalyse. Eine vollständige Auflistung der ständig wachsenden KI-Einsatzbereiche in der Logistik würde den Umfang in diesem Beitrag überschreiten [8].
Disposition und Einkauf
Unternehmen können mithilfe von KI-Applikationen den Bedarf an Endprodukten (Sales Forecast) und Eingangsmaterialien (Bedarfsplanung) auf Basis von historischen Daten und Datenmustern im ERP analysieren. Hierzu werden teilweise Business-Intelligence-Tools angebunden, um Massendaten von Drittanbietern (z. B. Wetterdaten) in Sales-Forecast-Modelle oder die Bedarfsplanung zu integrieren. Durch die Analyse von historischen Wetterdaten und deren Auswirkungen auf den Verkauf können KI-Anwendungen dabei unterstützen, Vorhersagen darüber zu treffen, wie das Wetter in der Zukunft den Verkauf bestimmter Produkte beeinflussen wird. Comarch hat hierzu eine ganze Reihe eigener KI-Anwendungen entwickelt [9].
Mit dem Einsatz von Chatbots können Bestellanforderungsprozesse effizienter gestaltet werden. Diese Chatbots ermöglichen es, Bestellanforderungen per Chat anzulegen und das Bestellwesen zu optimieren. Eine zunehmende Anzahl an ERP-Herstellern integrieren das auf der „generative Pre-trained Transformer“ (GPT)-Technolgie basierende Chatbot-System von OpenAI in ihre ERP-Lösungen. Chatbots können dabei helfen, Verträge im Einkauf zu überprüfen und auf der Grundlage historischer Muster Verbesserungsvorschläge zu erstellen. Ein weiteres Anwendungsszenario ist die KI-gestützte Bewertung von Lieferanten.
Katharina Kompalka ist seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IML und seit 16 Jahren in der ERP-Beratung aktiv. Sie verfügt über umfassende Fachexpertise im Bereich der Geschäftsprozessoptimierung und ERP-Beratung.
Dipl.-Kffr. Katharina Kompalka
Fraunhofer IML Joseph-von-Fraunhofer-Str. 2-4
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