Risiken reduzieren mit Projektmanagement und datenbasiertem Change Management
Markus Czeslik, Ariane Hager
Lesen Sie:
- welche Bedeutung ein frühzeitig integriertes, datenbasiertes Change Management für den Erfolg von ERP-Transformationsprojekten hat
- wie gezielte Change-, Kommunikations- und Coachingmaßnahmen dazu beitragen können, Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft bei Mitarbeitenden
während der ERP-Einführung zu fördern
Die Einführung oder Modernisierung eines ERP-Systems stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Eine erfolgreiche ERP-Transformation, die unterschiedliche Ebenen und Bereiche in der Organisation betrifft, erfordert eine durchdachte Strategie. Dabei ist es entscheidend, dass Projektverantwortliche nicht nur die technische Implementierung in den Fokus rücken, sondern Themen wie Change Management, Kommunikation, Coaching und Befähigung von Beginn an mitdenken. Denn ein ERP-System spielt nur dann sein ganzes Potenzial aus, wenn es von den Mitarbeitenden effektiv genutzt wird und nicht nur auf technologischer, sondern auch organisatorischer und kultureller Ebene die Grundlagen geschaffen werden, damit Bereiche stärker miteinander kooperieren und Projektziele schneller erreicht werden.
Unternehmen haben häufig die verschiedensten Risiken im Blick, lassen aber oft das naheliegendste außer Acht: Mitarbeitende, die nicht ausreichend geschult sind, die bis zum Schluss die Notwendigkeit der Einführung nicht nachvollziehen können, die sich um Produktivitätseinbußen im Tagesgeschäft Sorgen machen und entsprechend nach außen gegenüber Kunden und Lieferanten Unsicherheit ausstrahlen. Denn eine ERP-Implementierung erfordert in vielen Fällen eine weitreichende Anpassung der Geschäftsprozesse und Arbeitsabläufe der Mitarbeitenden.
Hierauf gilt es, die Organisation frühzeitig vorzubereiten, auch wenn noch längst nicht alle Informationen in der Detailtiefe bekannt sind. Change-Management-Maßnahmen können dabei die Risiken deutlich reduzieren, und zwar noch vor dem eigentlichen Kick-off. Denn meist sind weit vor dem Projektstart Gerüchte im Umlauf, werden Rollen- und Teambesetzungen diskutiert, oder es fehlt auf der Führungsebene das Verständnis und Commitment zu einem Projekt, das die Organisation noch auf Jahre beschäftigen und eine Vielzahl interner Ressourcen beanspruchen wird.
Hier setzen gezielte Informationsveranstaltungen an, um zunächst im Management und schließlich auch auf Ebene der Bereichs- und Abteilungsleiter die strategische Entscheidung für alle nachvollziehbar zu machen. So sollte es schrittweise gelingen, weitere Fürsprecher neben dem offiziellen Projektsponsor zu gewinnen, der das Projekt häufig aus der C-Level-Ebene heraus unterstützt und bei möglichst allen Gelegenheiten und Kommunikationsanlässen die Notwendigkeit der Implementierung herausstreicht.
Gemeinsam Chancen und Potenziale erarbeiten
Wenn auch eine ERP-Implementierung häufig aus einem oder wenigen Unternehmensbereichen verantwortlich getrieben wird, ist es ganz entscheidend, frühzeitig Schnittstellen zu Systemen und Funktionen zu identifizieren, die ebenfalls betroffen sind. Auch diese Bereichs- und Abteilungsleiter sind bereits in der Projektanbahnung ins Boot zu holen, um mit ihnen gemeinsam Chancen und Potenziale der ERP-Implementierung zu erarbeiten – und dies immer auf dem jeweils aktuellen Informationsstand, den die Entscheidenden zur Verfügung haben.
In einer solch frühen Phase spielen Kampagnen- und Dialogformate eine wesentliche Rolle, um auf breiter Ebene Awareness sicherzustellen. Dazu müssen vom C-Level konsistente strategische Botschaften gesetzt werden: Welches Problem wollen wir mit der neuen Systemlandschaft lösen? Wie passt das zu unseren strategischen Zielen? Wie beeinflusst die ERP-Implementierung die Gestaltung unserer Organisation? Wie sieht grob der Weg für die nächsten Monate aus? Welchen Beitrag können Mitarbeitende leisten – und wie unterstützt die Führungsebene dabei?
In die Belegschaft hineinhören
Ganz zentral kommt es darauf an, ein einheitliches Bild in Richtung der Mitarbeitenden zu vermitteln und zunehmend den Wunsch zu erzeugen, einen Beitrag zum Erfolg der ERP-Implementierung zu leisten. Um Verzerrungen auszuschließen, sollte auf der anderen Seite im Vorfeld ein präzises Stimmungsbild unter den Mitarbeitenden eingeholt werden: Wie zufrieden bzw. unzufrieden sind die Fachbereiche mit den aktuellen Systemen, Anwendungen und Abläufen? Was sind die Schmerzpunkte der Mitarbeitenden? Wie viel Aufwand müssen sie in ihrem Tätigkeitsfeld betreiben, wie viele Abläufe sind womöglich redundant oder verzögern das Tagesgeschäft unnötig? Welchen Reifegrad hat die Digitalisierung erreicht und wo sehen die Mitarbeitenden selbst noch Potenziale? Die Antworten vermitteln zum einen ein aussagekräftiges Bild über die Veränderungsbereitschaft im Unternehmen und liefern der Führungsebene zum anderen wertvolle Argumente, jetzt die Weichen zu stellen.
Regelmäßige Updates und offene Dialoge helfen außerdem, möglicherweise bestehende Ängste abzubauen und die Akzeptanz zu fördern. Dazu können Führungskräfte geschult werden, die nicht selten selbst im Tagesgeschäft gefangen sind und Mitarbeitende für das Projekt abstellen sollen. Ziel- und Interessenkonflikte sind hier vorprogrammiert.
All diese wesentlichen Vorarbeiten sind Aufgaben, die nicht im klassischen Projektmanagement angesiedelt sind, ja teilweise sogar den Zielen des Projektmanagers zuwiderlaufen können. ERP-Implementierungen konsequent mitarbeiterzentriert anzugehen, erfordert häufig mehr Abstimmungsaufwand, in jedem Fall intensivere und zielgruppenspezifische Kommunikation. Es erfordert ein bewusstes Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven und die gezielte Bewertung von Change Impacts und Klassifizierung damit verbundener Risiken.
Initialer Change-Aufwand zahlt sich aus
In den meisten Fällen wird sich der erhebliche initiale Aufwand positiv auf den Projektverlauf auswirken. Andernfalls müssten die Verantwortlichen zu großen Ballast mittragen, der sich durch Unsicherheit, Zweifel oder Angst vor Überforderung in der Belegschaft ansammelt. Häufig ist zu erleben, dass Projektmanager diese Hürden zu lange vor sich herschieben. Eine enge Change-Begleitung, die Kommunikation, Coaching und Befähigung einschließt, mindert das Risiko von Produktivitätseinbußen durch die häufige Doppelbelastung aus Projekt- und Tagesgeschäft.
Change Management ist somit kein einmaliger Schritt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der über die gesamte ERP-Transformation hinweg begleitet werden muss. Unternehmen, die diesen Aspekt vernachlässigen, riskieren eine niedrige Akzeptanzrate unter den Anwendern in den Fachbereichen und einen ineffizienten Einsatz des neuen Systems.
Ganzheitliche Betrachtung von Technologie, Organisation, Kultur
Für Unternehmen, die dagegen frühzeitig Projektmanagement und Change Management miteinander verzahnen bzw. letzteres als integralen Bestandteil des Projekts betrachten, ergeben sich spür- und nachweisbare Vorteile. Während Projektmanagement klare Strukturen vorgibt, Meilensteine definiert und sicherstellt, dass Ressourcen effizient genutzt werden, ergänzt Change Management den Methodenkoffer um eine ganzheitliche Betrachtung von Technologie, Organisation und Kultur.
Change Management überprüft dabei die Nachvollziehbarkeit der Strategie und Ziele, arbeitet darauf hin, dass alle Beteiligten eine gemeinsame Vision verfolgen, und führt Menschen und Bereiche auf dem neuen ERP-Fundament zusammen. Projekt- und Change-Verantwortliche tragen gemeinsam dafür die Verantwortung, Wissensträger an den richtigen Stellen einzubinden und Energien und Ressourcen freizusetzen. Es gilt, gemeinsam eine System- und Anwendungslandschaft zu finden, die den strategischen Zielen gerecht wird.
Dabei ist in jedem Fall auch den Skeptikern Gehör zu verschaffen, um eine weitere Erfahrungsebene einzubeziehen und echte Reflexionsräume zu eröffnen. Um diesen Dialogprozess zwischen Befürwortern und Gegnern zu moderieren und insbesondere die Interessen von IT und Fachbereichen auszuhandeln, braucht es ein tiefes Verständnis für menschliche Verhaltensmuster und Reaktionsweisen. Hier werden häufig Coaches hinzugezogen, die kontextbezogen und lösungsorientiert dabei unterstützen, neue Blickwinkel und Handlungsspielräume zu entdecken oder alternative Optionen zu erarbeiten. Mithilfe von 1:1- oder Team-Coaching-Maßnahmen lassen sich Themen wie konstruktiver Umgang mit Konflikten, wertschätzender Umgang und kontinuierliches Lernen in der Unternehmenskultur verankern. Demotivation und Erschöpfung werden gerade bei lange andauernden Projekten wie einer ERP-Implementierung gezielt angegangen. Change Coaching sichert damit die Leistungsfähigkeit auf individueller, Team- und Organisationsebene.
Messbare Vorteile durch datenbasierte Change-Ansätze
Ein besonderer Fokus im Change Management sollte auf datenbasierten Ansätzen liegen, die es Projektverantwortlichen ermöglichen, Veränderungsprozesse durch belastbare Analysen zu optimieren und den Erfolg der Change-Maßnahmen nachweislich zu belegen. Dazu müssen Change Manager an die Projektziele andocken und ihrerseits klar definieren, an welchen KPIs sich ihr Beitrag messen lassen soll. Zusammengefasst ergeben sich diese Vorteile:
Erhöhung der Transparenz: Datenbasiertes Change Management ermöglicht eine objektive Bewertung der Wirksamkeit der Change-Initiativen.
Proaktives Monitoring und Steuerung komplexer Veränderungsprozesse: Echtzeiteinblicke in Change-Prozesse ermöglichen eine vorausschauende, flexible Steuerung. Maßnahmen lassen sich frühzeitig anpassen, um auf Entwicklungen, Widerstände oder veränderte Rahmenbedingungen dynamisch zu reagieren.
Gezielte Veränderungsstrategien und Interventionen durch Datenanalysen: Datenanalysen helfen, die Veränderungsbereitschaft gezielt zu bewerten und maßgeschneiderte Maßnahmen an den spezifischen Bedarf von Teams anzupassen, anstatt sie pauschal („Gießkannenprinzip“) auszurollen.
Reduzierung von Unsicherheiten und Verbesserung der Entscheidungsfindung: Durch die datenbasierte Analyse erhalten Entscheidungsträger fundierte Einblicke, die Unsicherheiten minimieren und zu einer besseren Orientierung in Veränderungsprozessen führen.
Stärkung der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit: Die datengestützte Erfolgsbewertung und transparente Kommunikation stärken die Position und Glaubwürdigkeit der Projekt- und Change-Verantwortlichen innerhalb der Organisation.
Sicherstellung und Weiterentwicklung strategisch relevanter Kompetenzen: Datenbasierte Analysen erlauben die Überprüfung des Kompetenzlevels in der Belegschaft bezogen auf Projekt- und strategische Ziele. Frühzeitig erkannte Lücken können gezielt geschlossen werden, um den langfristigen Geschäftserfolg zu sichern und Wachstum zu ermöglichen. Denn letztlich müssen die Mitarbeitenden mit den neuen Systemen und Prozessen vertraut gemacht werden. Passgenaue Schulungen, der Erfahrungsaustausch in Lern-Communities, der Einbezug von Key Usern in Workshops und Trainings helfen dabei, Wissen aufzubauen und Unsicherheiten zu reduzieren.
Fazit
Eine erfolgreiche ERP-Transformation erfordert weit mehr als nur die technische Implementierung eines neuen Systems. Sie muss strategisch geplant, organisatorisch verankert und durch ein starkes datenbasiertes Change Management sowie Change Coaching unterstützt werden. Der gezielte Einsatz von Daten bietet dabei die Möglichkeit, Veränderungen messbar und steuerbar zu machen, sodass Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen und konkrete Vorteile für ihr Business erzielen können. Ergänzt durch professionelles Projektmanagement und eine klare Governance, entsteht ein Fundament, auf dem Unternehmen ihre digitale Transformation nachhaltig gestalten können.
Ariane Hager ist seit 2016 Teil der mgm consulting partners. Als Senior Managerin bringt sie ihre umfassenden Erfahrungen im Change Management durch die Leitung und Durchführung diverser Transformationsprojekte ein, darunter auch große S/4HANA-Implementierungen in unterschiedlichen Branchen.
Ariane Hager
mgm consulting partners gmbh
Taunusstraße 23
80807 München
E-Mail: ariane.hager@mgm-cp.com
Markus Czeslik ist seit 2017 Principal Consultant bei der mgm consulting partners und bewegt sich in komplexen Digitalisierungsprogrammen an der Schnittstelle von Change Management, Change Communication und Organisationsentwicklung. Zu seinem Beratungsspektrum zählt u. a. auch die Change-Begleitung von S/4HANA-Implementierungen.